Ulmenjahr

Samstag, 23. April 2005

Fragment 9b

Ysaj hatte den Brief nie abgeschickt. Er schlief in einer Schublade und dämmerte nach dem Umzug auf dem Dachboden, inmitten von vergessenen Andenken, zwischen Bändern, Kerzen und Ölfarben, die in ihren Tuben vertrockneten. Eine Motte starb in ihm einen Ysop-getränkten Tod, nach Jahren noch war der Duft versiegelt in den Buchstaben, hielt sie lebendig und wartete darauf, sie aus dem Gefängnis des Umschlags zu entlassen.

Ich denke, ich werde Dich eines Tages hassen. Im Traum sah ich mich; ich war eine Stadt an der Küste, die Einschläge der Artillerie zerrissen das Glas meiner Fenster, das in alle Richtungen barst. Sogar auf den verminten Feldern waren die Scherben. Jedes Mal, wenn ich hoffe, wenn wir beisammensitzen, wenn wir dieses endlose Schweigen hätscheln, meißelt sich ein neues Stück der Inschrift in mein Buch: Ich werde Dich eines Tages hassen.

Rubrik: Ulmenjahr

Samstag, 9. April 2005

Ulmenjahr (txt 9)

species

Sören überwachte ihren Schlaf mit einer Leidenschaft, die Ysaj an Männern fremd war. Am ersten Abend hatte er die Stufen aus dem Keller gleich einem Leoparden genommen, Ysaj auf dem Arm, beide noch verschwitzt und glänzend von der Sauna. Er presste sie mit einer solchen Intensität an sich, dass Ysaj seinen Herzschlag an ihrem Hals spürte, während er die Treppe hinaufglitt. Dann bettete er sie auf das Sofa, legte ihr weitere Handtücher um und schien gar nicht zu bemerken, welches Begehren er in ihr entfachte. Irgendwann war sie eingschlafen nach all den Gläsern Tonic Water und später Wein, dem Käse und den Weintrauben, Oliven und Erdbeeren, die er ans Sofa brachte wie an ein Krankenbett. Sören wollte alles wissen über den Kerker, wie er es nannte, vergrub sich in Ysays Erinnerung und ließ nicht ab, jede Einzelheit zu erfragen; er fragte nach Geräuschen, Farben und Düften, nach dem Glanz in den Augen und nach den Nächten. Sie aßen, tranken und redeten Stunden, bis Ysaj in einen Dämmerschlaf voll unerinnerter, unruhiger Träume glitt, deren Schweiß sich zäh mit jenem der Sauna vermischte und sie mitten in der Nacht ins Erwachen presste.
Es gibt dieses Aufwachen in ungewohnter Umgebung, die ersten Sekunden, in denen das Auge kein vertrautes Bild einfängt und nicht sicher ist, ob Schlaf noch anhält in einem Traum oder wir wirklich wach sind. Die Kerzen waren fast alle heruntergebrannt und warfen dünnes Licht, es roch nach Rotwein und kalten Zigaretten. Unmittelbar vor ihr saß Sören auf dem Boden, an den niedirgen Tisch gelehnt, ein Glas Wein in der Hand, und blickte sie stumm an; das Flackern der Kerzen prallte ab an seinen Pupillen, die ganz dunkel waren und ernst.
"Wie lange habe ich geschlafen?"
"Einige Stunden. Du sprichst im Schlaf".
"Wirklich? Was spreche ich denn?"
"Ich weiß nicht, ich kenne die Sprache nicht".
"Sören, wie spät ist es?"
"Nach zwei".
"Warum hast Du mich nicht geweckt? Und warum schläfst Du nicht? Bist Du denn gar nicht müde?"
"So viele Fragen, Ysaj".

Er zündete eine Zigarette an, die gänzlich in seiner Hand verschwand, reichte ihr sein Weinglas. "Trink".
Herb und kräftig öffnete der Wein die Tür in die Wachwelt. "Sören?"
"Schmeckst Du die Beeren? Johannisbeere und Blaubeere und eine Spur Tabak, etwas Tinte..". Ysaj trank.
Und dann, plötzlich, in das aufkommende Aroma der Johannisbeere hinein: "Ich mußte Deinen Schlaf bewachen".
Ob das Geheimnis ein Schachtelmännchen habe.
"Warum?"
"Ich weiß es nicht, ich mußte einfach".
"Ich schmecke die Johannisbeere".
"Ja. Ich auch".

Sie sprachen nicht mehr in dieser Nacht. Sören blieb sitzen und Ysaj schlief gegen Morgen wieder ein.


(Photography copyrighted)

Rubrik: Ulmenjahr

Montag, 4. April 2005

txt 15 (Fragment)

"Hach, ja".


Rubrik: Ulmenjahr

Asherah.

Wenn Du nur eine Mohnknospe hast für mich, dann lass mich nicht warten. Der Traum wird uns umhüllen morgen schon.


Rubrik: Ulmenjahr

txt 13 (Fragment)

Ysaj floh in die Wildnis und ließ jenen Teil von sich zurück, den sie Jahre später unter Ulmenblättern wiederfinden sollte, erschöpft, zerrissen und verwundet. Sie hockte allmorgendlich auf dem gelben Berg und versuchte zu begreifen, warum die Ebenen ihr mehr und mehr abstossend wurden. Hier, in der Wüste, gab es keine Hyänen. Und mit der Abwesenheit der Hyänen verschwand allmählich auch ihre Verachtung, kauerte sich zusammen, schrumpfte, versteinerte zu einem Monument wie Ysaj selbst. Der Tod allein umschlich sie wie ein Schakal und sie schlug wütend nach ihm, wann immer sie seine Nähe erahnte. Ysaj lag in Fehde mit dem Tod und ließ es ihn spüren, denn er war das Vergängliche und Ysaj suchte das Beständige, welches der Tod immer anzunagen suchte mit adamantenen Hauern seiner Verbündeten, der Zeit. Seine beständige Lauer erregte ihren Zorn, seine Präsenz erwürgte die Unvergänglichkeit; nichts, worauf zu bauen war außer Sand und Staub und Mehl. Man kann auf sehr verschiedene Arten kämpfen; Ysaj beschloss, dass die effektivste Art immer die homöophathische sei und begann, den Tod in sich anzuhäufen, ihn einzusaugen wie Muttermilch und zu sammeln in jedem Atemzug. Alle Masken die sie später formte, die bunte Kleidung und die unzähligen Perrücken, jede Attrappe für die Ebenen war ein neues Regiment, das sie gegen den Tod führte. Sie besaß Kleiderschräke voll dieser Munition, Regale gefüllt mit Düften und Farben, Schubladen voll Wäsche aus Nichts. Die Spielzeuge Aphrodites lagen überall herum, verstreut mit den Büchern Athenes.
An einem klaren Morgen Anfang der Siebziger schlenderte Ysaj auf dem Spielplatz im Park herum und blickte zum Himmel, kindlich, übermütig, fröhlich. Stolperte über einen Ast und fiel. Da war ihre Fehde erneuert worden, ohne dass es Ysaj begriffen hätte. Jahre später, inmitten der Wüste, die das Leben aufhob und verbrannte, begriff Ysaj, plötzlich den Sturz im Park vor Augen. Sie beschloss, sich ein Tor zum Himmel zu bauen aus den Knochen des Schakals. Ysaj erklärte dem Tod den Krieg. Sie, die vom Leben rein gar nichts wusste.


Rubrik: Ulmenjahr

Samstag, 2. April 2005

Buchstabensuppe (txt 20/Fragment)

"Ich meine wenn Du gehst oder stehst oder sitzt oder liegst: Der Tod läuft rechts neben Dir; steht, sitzt, liegt vielleicht. Und links läuft das Leben, steht, sitzt, liegt, breitet sich aus. In einem Buchstaben. Oder einer Landschaft, zerfließt vor Deinen Augen mit jedem verstreichenden Jahr. Wir sind gezäumte Pferde und der Zaum ist auch Tod. Unsere ganze Illusion Freiheit besteht aus acht Buchstaben, wird zum Ärgernis, bis wir irgendwann zu müde sind und auch der Mißmut verschwindet wie der Kalk aus unseren Knochen. Mich interessieren nur noch zwei Dinge: Das Jetzt mit seinem Sekundenglück, der Wärme einer Hand auf meiner Wange oder einer stillen Minute ohne Hast - und was bleiben wird, wenn mein Name Buchstaben auf einem Grabstein ist".



Rubrik: Ulmenjahr

Sonntag, 20. März 2005

Txt 11 (Fragment)

(...)

Atem, der in jedem Atom pochte. Sie nahm den Hügel wie eine Welle, ihre Beine liefen automatisch; die Abzweigung, der kleine Pfad in den Wald, der nächste Hügel, jetzt umrandet von Bäumen. Oben angekommen starrte der Mond sie an, ein großes, das Panorama ausfüllende Oval, rötlich, eine schleichende Vorahnung. Etwas zog ihre Kehle zusammen, nahm ihr die Luft, verdichtete sich am Gaumen zu Galle.
„Nein! Nein!“
Nach rechts. Eine Anhöhe noch. Ihre Augen tasteten verzweifelt die Silhouette des letzten Hügelkammes ab, erfassten nichts außer verschwommenen Schatten und sie lief weiter. Der Fall von Nadelhölzern, Waldkiesel, Borken schnitten in ihre Füße, Ysaj spürte die Wunde auch dort, der rote Mond warf sie zurück, ihr eigenes Schnauben warf sie auf den Wald: Es kann nicht sein! Es darf nicht sein! Unten hörte sie die Stimmen der Freunde: „Ysay! Ysaj! YSAJ!“, Schweiß lief ihren Rücken hinab. Zwischen die Brüste, brannte in den Augen, rann in die Handflächen.
Am Brombeerbusch, kurz vor der letzten Biegung, riss ihr Nachthemd. Der Busch griff nach ihr und sie ließ ihm die kleinen Fetzen Haut und Bauwolle, stürmte weiter.

„Die nimmt das Licht weg sagt er. Da will er ein wenig Heu fürs Vieh hinsetzen, weil Platz ist auf der Lichtung“.
„Nein!“

Ihr Geschrei führte Sören zur Lichtung. Ysaj brüllte so laut, dass das ganze Dorf im Tal in Aufruhr geriet. Sie schrie Laute in alten Sprachen und verfluchte den Bauern Simac bis ins letzte Glied, ihn und die seinen für alle Zeiten. Sie beschwor Pan und Sheitan und Demeter, Persephone, Nephtys und Horus, ihre Stimme schmetterte sich in unmenschlichem Crescendo bis in die älteste aller Sprachen, verfiel in Heulen, Knurren, in gutturale, chtonische Laute. Den Baumstumpf umklammernd bellte sie einen Fluch nach dem anderen in die Hand Hekates, die sie zur Schreiberin bestimmte, mit dem Rotz, den sie auf die Erde spuckte. Sie rief Lilith an: „Ich werde Adam nicht göttlich nennen, vorher werde ich meinen Thron über die Sterne erheben!“* Sie schrie Percht herbei, Kali und Ereshkigal; Tiamat, die Gefürchtete.

(…)

*Zitat: J.K.


[Es müsste eigentlich: Fragment eines Fragmentes heissen. Interruputus inmitten von Emotio-Schilderung. Hier. Jetzt. Für heute.
Er war eine männliche Ulme. Er war so schön wie Schöneres erdgewachsen nicht mehr gesehen wurde. Die Jahre sangen aus ihm.]

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Freitag, 18. März 2005

txt 22 (Fragment)

Es war das pulsierende Leben, ihre zu graziler Länge gesprossenen Beine, der schmale, zerbrechliche Umfang ihrer Mitte und die flüchtigen Bewegungen eines scheuen Wildes, die Ysaj begrenztes Asyl gaben auf den Ebenen. Ihre Duldung war von Anbeginn auf Vergänglichkeit gebaut; das Geschenk Aphrodites, die sie an ihre verräterische Brust zog und der Ysaj, wie Paris, haltlos verfiel: Der Pakt mit dem Frühling wurde in Ysajs fünfzehntem Lebensjahr geschlossen.

Ihre Pubertät hatte früh eingesetzt. Als sie neun Jahre alt war, brachte der Körper den Schrecken der plötzlichen Blutung. In Todesangst starrte Ysaj auf das Resultat der inneren Wunde, das Blut des verborgenen Schmerzes, in dem der Zorn pochte, schreiendes Rot, das tobend ins Licht der Welt trat, in die Sichtbarkeit des fremden Lebens, das sich nun auch in ihr eingenistet hatte. Unerwartet für alle, nicht nur für Ysaj. Ihre Mutter, eine gebildete Frau, nahm an, Ysaj habe alles verstanden, was es zu verstehen gab über dieses Rot. Aber Ysaj verstand nichts. Ysaj war neun. Ein Jahr zuvor hatte Mutter sie aufgeklärt über die Frauensache, als Ysaj wissen wollte, woher die Babys kommen. Nüchtern und lächelnd. Eine Sache, die jeden Monat zu den Frauen kommt. Ysaj dachte damals: Das muss schrecklich sein. Aber die Jahre, die zwischen ihr und der Frauensache lagen, erschienen endlos. Und dann hatte ihr Körper sie verraten, sie vollkommen allein gelassen in ihren kindlichen Puppenstuben und Pastellbüchern. Der Körper hatte seinen Kampf gegen die Ebenenbewohner begonnen, denn für ihn gab es nur ein Entrinnen aus der Herde: Entwachsen. Das waren die Regeln: Entwachsen und dann fortgehen. In die Wälder, in die Dschungel, in die Freiheit.

Ysaj wusste davon nichts. Ihre Kinderseele war unversehens gefangen in einem aufblühenden Frauenkörper, dessen vorspringender, wütender Kampf Blicke auf sich zog – unverständliche, klebrige, bohrende Blicke. Männer sahen sie anders an und Ysaj fürchtete sich davor. Auf einmal war die Welt voll alter Männer; ihre Blicke, ihre Pfiffe auf der Strasse, ihre anzüglichen Bemerkungen durchbrachen die dünne Haut und trieben das Kind in Wunderwelten aus Buchstaben. Ysaj las, was ihr in die Finger kam. Sie verschlang Bibliotheken, wurde altklug, blieb Klassenbeste und freute sich nicht daran. Alles trennte sie von den Anderen, auch die Bücher. Und die Frauensache: diese Einsamkeit inmitten von Blicken. Bevor Aphrodite, die Sonnengoldene, erschien waren ihre Früchte Qual und Verwirrung. Die launische Göttin fand Gefallen an Ysaj, fuhr in sie und alles, die Ebenen, die Wälder, die Wüste, die See - einfach alles wurde zu einem märchenhaften Garten. Aphrodite unterzeichnete den Pakt mit dem Frühling, den Eid an den Sommer, den sie nie zu halten gedachte, und Ysaj verriet den Winter, ihren einzigen Freund, kehrte ihm den Rücken und ließ ihn fallen. Athene, inmitten ihrer Rüstungen und Bücher, wurde blass vor Zorn. Ysay sass in der Falle.


Rubrik: Ulmenjahr

Dienstag, 15. März 2005

Abwanderung (txt1)

ulme

"Die bis zu 30 Meter hohe Ulme (Ulmus scabra) und bis zu 40 Meter hohe Bergulme (Ulmus glabra) gehört zu den ältesten Bäumen, die den Menschen in seiner Entwicklung begleitet haben. Doch nun werden ganze Bestände durch die Ulmenkrankheit befallen und sterben ab. Zusätzliche Dezimierung erfährt die Ulme durch den Borkenkäfer. Erste Erfolge zeigen sich zaghaft in der Züchtung käferresistenter Bäume. Gegen die rätselhafte Ulmenkrankeit ist noch kein Mittel in Sicht.
Das rötliche, grobporige Holz ist sehr hart und feuchtigkeitsbeständig.

(Laut Volksweisheit steht die Ulme für Kommunikation, Kreativität und bringt Bewegung in Stockendes. Sie gilt als Schutzbaum der Schreiber, Schriftsteller und Studenten. Oft bilden alte Bäume "Tore", "Portale" oder "Bögen" über Gehwegen und Entrées)".

(aus dem www)


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Montag, 14. März 2005

txt 18

„Du gehörst einer aussterbenden Spezies an“.
Sie sitzt vor Ysaj in ihrer lasziven Art, die Beine übereinander geschlagen, die Zigarettenspitze zwischen Daumen und Zeigefinger, ihr Blick verfolgt mit halb gesenkten Lidern eine imaginäre Ameise auf dem Tisch. „Sogar jeder Dir zugeordnete Avatar ist betroffen: Die Tiger sind bedroht, die Ulmen werden von einem Nichts von Borkenkäfer ausradiert….“.

Ysajs Haut ist kühl, außer in den Händen. Abstrahlende Hitze die pulsiert, wenn Ysaj ihren Unterarm berührt. Sie lässt ihre Hand auf ihm liegen, eine tröstliche Geste:
„Aber da sind noch die Pinguine“.
„Was ist mit den Pinguinen?“
„Sie brüten ihre Eier aus mitten im antarktischen Winter. Im Landinneren“.
„Eiswüstenbrüter. Das nenne ich Option!“

Der Kellner schenkt Weißwein nach. Italienischen. So gar nicht Eiswüste. Adriatische Sonne, goldgelb eingefangen von einem kleinen Mann mit Glatze, dessen Bild auf der Rückseite der Flasche zu sehen ist. Rebstöcke neben ihm. Keine Ulmen.

„Wie lange müssen die ihre Eier ausbrüten?“
„Ich weiß nicht genau, einige Wochen“.
„Sie hocken wochenlang auf einem Ei? Und dann auf dem Küken?“
„Nein, sie wechseln sich ab. Mit einem Partner, der Futter für beide im Meer jagt. Und umgekehrt“.
„Und wenn dem was zustößt ist die ganze Aktion dahin… Die Option wird immer grauenhafter. Das ist: jemanden brauchen – ist Dir das klar?“

Grauenhaft. Jemanden brauchen. Eiswüste. Wüste überhaupt. In die man flieht, weil man unter den Blicken der Vielen nicht lebensfähig ist, so immer beobachtet; weil das Stigma des Andersartigen dich verfolgt seit du denken kannst; mit bohrenden, begehrlichen Blicken, die deine Fremdheit, deine Nicht-Zugehörigkeit zusätzlich betonen; nicht den Geruch der Herde haben, nicht dazu gehören, nicht am Leben teilhaben, ihrem Leben, das sie über die ganze bewohnbare Ebene gebreitet haben, bis hinauf in die Berge, und in dem du nicht willkommen bist. Nur Dschungel und die Ulmen – und die haben sie auch schon unterworfen, da kannst du Tiger und Ulme nicht das letzte Fleckchen nehmen, es bleibt dir nur die Wüste. Das verstehst du aber nicht. Lange nicht. Du verkriechst dich unter ihnen und in ihnen, ein Fremdkörper ohne Leben, tot gestellt von dem, was Leben sein soll und nicht deines ist. Jeder Frühling reibt Salz in die Wunde; da ist es wieder, das Leben, das dir verwehrt ist. Darum ist dein Körper stürmisch im Herbst, übervoll mit Begehren. Darum liebst du den Winter, bist wehmütig, wenn er weicht, denn er ist Wüste. Eiswüste. Pinguinwüste. Darum liebst du jeden kalten März, jeden kühlen April, jeden Frost der dem Jahr etwas Leben abringt.

„Ja, jemanden brauchen. Niemand kann allein in der Wüste überleben. Zumindest nicht auf Dauer“.
„Und ohne Ehrenkodex geht gar nichts in der Wüste. Darum sind die Wüstenbewohner so stolz“, erwidert sie, eine Olive kauend. „Wie wohl ein Pinguincodex aussieht?“
„Haben denn verschiedene Wüsten jeweils einen anderen Codex?“

Sie zündet eine weitere Zigarette an, inhaliert tief:
„Ich weiß es nicht. Sag Du es mir“.



Rubrik: Ulmenjahr


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