Samstag, 9. April 2005

Dill und Gurken.

Weißt Du, es ist im Grunde
dass ich ständig etwas meine
statt es zu sagen.
Oder zu tun.


Neue Rubrik: Schmetterlingsclan

Ulmenjahr (txt 9)

species

Sören überwachte ihren Schlaf mit einer Leidenschaft, die Ysaj an Männern fremd war. Am ersten Abend hatte er die Stufen aus dem Keller gleich einem Leoparden genommen, Ysaj auf dem Arm, beide noch verschwitzt und glänzend von der Sauna. Er presste sie mit einer solchen Intensität an sich, dass Ysaj seinen Herzschlag an ihrem Hals spürte, während er die Treppe hinaufglitt. Dann bettete er sie auf das Sofa, legte ihr weitere Handtücher um und schien gar nicht zu bemerken, welches Begehren er in ihr entfachte. Irgendwann war sie eingschlafen nach all den Gläsern Tonic Water und später Wein, dem Käse und den Weintrauben, Oliven und Erdbeeren, die er ans Sofa brachte wie an ein Krankenbett. Sören wollte alles wissen über den Kerker, wie er es nannte, vergrub sich in Ysays Erinnerung und ließ nicht ab, jede Einzelheit zu erfragen; er fragte nach Geräuschen, Farben und Düften, nach dem Glanz in den Augen und nach den Nächten. Sie aßen, tranken und redeten Stunden, bis Ysaj in einen Dämmerschlaf voll unerinnerter, unruhiger Träume glitt, deren Schweiß sich zäh mit jenem der Sauna vermischte und sie mitten in der Nacht ins Erwachen presste.
Es gibt dieses Aufwachen in ungewohnter Umgebung, die ersten Sekunden, in denen das Auge kein vertrautes Bild einfängt und nicht sicher ist, ob Schlaf noch anhält in einem Traum oder wir wirklich wach sind. Die Kerzen waren fast alle heruntergebrannt und warfen dünnes Licht, es roch nach Rotwein und kalten Zigaretten. Unmittelbar vor ihr saß Sören auf dem Boden, an den niedirgen Tisch gelehnt, ein Glas Wein in der Hand, und blickte sie stumm an; das Flackern der Kerzen prallte ab an seinen Pupillen, die ganz dunkel waren und ernst.
"Wie lange habe ich geschlafen?"
"Einige Stunden. Du sprichst im Schlaf".
"Wirklich? Was spreche ich denn?"
"Ich weiß nicht, ich kenne die Sprache nicht".
"Sören, wie spät ist es?"
"Nach zwei".
"Warum hast Du mich nicht geweckt? Und warum schläfst Du nicht? Bist Du denn gar nicht müde?"
"So viele Fragen, Ysaj".

Er zündete eine Zigarette an, die gänzlich in seiner Hand verschwand, reichte ihr sein Weinglas. "Trink".
Herb und kräftig öffnete der Wein die Tür in die Wachwelt. "Sören?"
"Schmeckst Du die Beeren? Johannisbeere und Blaubeere und eine Spur Tabak, etwas Tinte..". Ysaj trank.
Und dann, plötzlich, in das aufkommende Aroma der Johannisbeere hinein: "Ich mußte Deinen Schlaf bewachen".
Ob das Geheimnis ein Schachtelmännchen habe.
"Warum?"
"Ich weiß es nicht, ich mußte einfach".
"Ich schmecke die Johannisbeere".
"Ja. Ich auch".

Sie sprachen nicht mehr in dieser Nacht. Sören blieb sitzen und Ysaj schlief gegen Morgen wieder ein.


(Photography copyrighted)

Rubrik: Ulmenjahr


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