Verhandlungen mit Romanfiguren VIII
"Du brauchst gar nicht so mit dem Fuß zu wippen".
"Hmh?"
"Sag einfach, was Dir nicht passt".
"Ich möchte viel lieber über den Tag auf dem Spielplatz sprechen".
"Welcher Spielplatz?"
"Der große, in Zagreb. Der am Park".
"So groß ist er gar nicht, er erschien Dir nur immer groß weil Du ein Kind warst".
"Du warst ein Kind!"
"Nein. Ich war alt".
"Also gut: Wir waren Kinder und wir waren alt".
"Nein, Du warst ein Kind und ich war alt".
Seufzen.
"Ich erinnere mich, wie ich auf dieser langen, bootsartigen Schaukel stand, weißt Du noch, die hinten links, auf der man mit Mehreren hintereinander sitzen und schaukeln konnte; beide Hände an den Stangen, mit dem ganzen Körper holte ich Schwung an dem Tag. Und ich sang. Aus voller Kehle".
"Warum erinnerst Du Dich daran?"
"Weil ich glücklich war. Es war ein Moment reinen Glücks, der mich plötzlich überkam, wie ich da so sang und schaukelte. Es hatte etwas Ekstatisches, dieses Schaukeln und Singen ... und Sein. Einfach: Sein".
"Ich erinnere mich daran, dass es ein Moment in der Fremde war".
"In der Fremde?"
"Ja, Du hast Deutsch gesungen. Deutsche Kinderlieder auf einem kroatischen Spielplatz. Weil Du nämlich keine kroatischen Kinderlieder mehr kanntest. Also hast Du mich Deutsche Kinderlieder auf der Schaukel singen lassen. Das Herz schlug mir so heftig, dass ich dachte, es würde vor lauter Freude aus meiner Kehle springen und mitschaukeln. Oder tanzen dort auf dem Sand".
"Erst sangst Du leise. Weil es Lieder in Deutscher Sprache waren..."
"Ja. Und dann, mitten in diesem Rausch, es sang mich, es sang und sang und sang sich in mir, aus mir, da kam dieser kroatische Junge. An der Art, wie er sich umdrehte zu den voll besetzten Bänken, sah ich, dass die Erwachsenen ihn geschickt hatten. Ich ließ die Schaukel auspendeln, damit ich hören konnte, was er sagte".
"Du hörtest auf zu singen".
"Ja. Er platzte da herein und nahm mir den Schwung".
Nicken.
"Dann fragte er in gebrochenen Silben: "Schepereschen Sie Dojtsch?"
"Und Du sagtest: Ja".
"Ich sagte ja."
"Siehst Du?"
"Was?"
"Du sagtest ja in diesem magischen Moment, den Du als Glück hingeschrieben hattest - und die Würfel waren gefallen".
"..." (Er drehte sich um und lief weg ohne ein weiteres Wort)
"Ich spreche Deutsch, mhm? Ich spreche Deutsch - huh!"
"Halt den Mund!"
"Hmh?"
"Sag einfach, was Dir nicht passt".
"Ich möchte viel lieber über den Tag auf dem Spielplatz sprechen".
"Welcher Spielplatz?"
"Der große, in Zagreb. Der am Park".
"So groß ist er gar nicht, er erschien Dir nur immer groß weil Du ein Kind warst".
"Du warst ein Kind!"
"Nein. Ich war alt".
"Also gut: Wir waren Kinder und wir waren alt".
"Nein, Du warst ein Kind und ich war alt".
Seufzen.
"Ich erinnere mich, wie ich auf dieser langen, bootsartigen Schaukel stand, weißt Du noch, die hinten links, auf der man mit Mehreren hintereinander sitzen und schaukeln konnte; beide Hände an den Stangen, mit dem ganzen Körper holte ich Schwung an dem Tag. Und ich sang. Aus voller Kehle".
"Warum erinnerst Du Dich daran?"
"Weil ich glücklich war. Es war ein Moment reinen Glücks, der mich plötzlich überkam, wie ich da so sang und schaukelte. Es hatte etwas Ekstatisches, dieses Schaukeln und Singen ... und Sein. Einfach: Sein".
"Ich erinnere mich daran, dass es ein Moment in der Fremde war".
"In der Fremde?"
"Ja, Du hast Deutsch gesungen. Deutsche Kinderlieder auf einem kroatischen Spielplatz. Weil Du nämlich keine kroatischen Kinderlieder mehr kanntest. Also hast Du mich Deutsche Kinderlieder auf der Schaukel singen lassen. Das Herz schlug mir so heftig, dass ich dachte, es würde vor lauter Freude aus meiner Kehle springen und mitschaukeln. Oder tanzen dort auf dem Sand".
"Erst sangst Du leise. Weil es Lieder in Deutscher Sprache waren..."
"Ja. Und dann, mitten in diesem Rausch, es sang mich, es sang und sang und sang sich in mir, aus mir, da kam dieser kroatische Junge. An der Art, wie er sich umdrehte zu den voll besetzten Bänken, sah ich, dass die Erwachsenen ihn geschickt hatten. Ich ließ die Schaukel auspendeln, damit ich hören konnte, was er sagte".
"Du hörtest auf zu singen".
"Ja. Er platzte da herein und nahm mir den Schwung".
Nicken.
"Dann fragte er in gebrochenen Silben: "Schepereschen Sie Dojtsch?"
"Und Du sagtest: Ja".
"Ich sagte ja."
"Siehst Du?"
"Was?"
"Du sagtest ja in diesem magischen Moment, den Du als Glück hingeschrieben hattest - und die Würfel waren gefallen".
"..." (Er drehte sich um und lief weg ohne ein weiteres Wort)
"Ich spreche Deutsch, mhm? Ich spreche Deutsch - huh!"
"Halt den Mund!"
TheSource - 30. Mär, 11:48
Orientierung
Jetzt wo ich es mir noch einmal durchlese, vielleicht macht es Sinn, den Leser auch mal über solche Sachen nachdenken zu lassen, man analysiert dann viel genauer das Verhältnis und die Erinnerungen zwischen und von den Beiden Protagonisten.
ich habe als leser
Verwirrung
In diesem Text fehlt halt vollkommen der Ich-Erzähler, der sonst in den anderen Texten dabei war. Jetzt ist es ja ein reiner Dialog.
Die Stelle, an der ich jetzt Probleme habe, ist der Text nach dem "Nicken."
Wer nimmt dort wieder das Gespräch auf. Beide Möglichkeiten sind eigentlich plausibel. Wenn man beide Möglichkeiten durchspielt, bis zu: "Du sagtest ja in diesem magischen (...)", dann sagen diesen Satz entweder Sie, was einerseits logisch wäre, weil ja die Romanfigur "ja" sagte (also die mit "Du" angesprochen wird), aber andererseits auch wieder unlogisch, denn es heißt "den Du (...) hingeschrieben" und schreiben können ja nur Sie, nicht die Figur. Also wäre die zweite Möglichkeit auch logisch, dass die Romanfigur diesen Satz äußert ("den Du (...) hingeschrieben"). Sie sehen, ich bin verwirrt und mein Text strahlt sich auch etwas von dieser Verwirrung aus, aber leider fehlt mir die Zeit, etwas genauer zu werden, denn mein Internetzugang ist ab 0 Uhr nicht mehr verfügbar.
Trotzedem ist "Verhandlungen mit Romanfiguren VIII" der beste Text in dieser Sammlung, wie ich finde. Der Dialog ist schön durchkomponiert. Und davon abgesehen, liebe ich Dialoge, ins besondere solche Dialoge.