Reflektion über Rešickis Lyrik

Ein Selbstmörder, der sich von hinten erschoss.

Dies ist meine erste spontane Bildassoziation zu Rešickis poetischem Anschlag, dem Rhytmus seiner Sprache - ein metaphorischer Ausflug in seinen Stil.
Defamilisierung.
terezia (Gast) - 25. Jan, 20:55

Bild

zu Bild:


Ein Mörder, der sich selbst von hinten erschoss.

*

In Zusammenhang mit Thomas Klings Dichtung gefallen: Das poetische Projektil.

TheSource - 25. Jan, 21:44

Es ist seltsam,

ich schrieb es unten schon zu Simic: Setzt man daran, die Fülle und Präzision des Eindruckes (richtiger wäre: Eindrückens, es drückt sich sozusagen über die Sinne ins Fleisch) in der Übersetzung beizubehalten, dann entsteht eine Schärfe, die einer Klinge gleicht - die andersartige Semantik trifft auf eine Sprache, deren Grammatik derart unbeholfen*, dass diese Schärfe zum Ergebnis des Wunsches wird, die Autorenintention in der Übersetzung so gut es nur geht zu bewahren. Es wird zwangsläufig rigid. Bei Klings Dichtung hatte ich immer das Gefühl, er habe die Originale in Russisch oder Tschechisch geschrieben - die slawischen Übersetzungen lesen sich muttersprachlich durch und durch.

Eine Anmerkung noch zu Rešicki: Er beruft sich im Stil als von Trakl inspiriert und geprägt.

*(ständig muss bspw. in den Genitiv geflüchtet werden, da dem Deutschen schlicht drei Fälle fehlen oder es der Artikel bedarf, die den Genitiv dann wiederum aussehen - sic. sich anhören - lassen wie einen Kasper. Darum habe ich auch den Genitiv in meiner Simic-Version tunlichst vermieden *s)
terezia - 25. Jan, 22:20

Inspiriert von Trakl...

ja, das ist nachvollziehbar. Nicht gleich, nicht auf den ersten Blick und über diese Sprachgrenzen hinweg, dennoch... doch auch für die Bilderwaage ist dies geltend zu machen. Scheint mir.

Kling:

Über das Bildfinden II

aber die sprache,
aber die sprache,
aber die sprache:

dies ständige, ständige,
vollständige fragment



Aus: Auswertung der Flugdaten. 2005

*
TheSource - 26. Jan, 11:46

Kling

Das ständige, vollständige Fragment.

Vielleicht ist es die Unvollkommenheit des Fragmentarischen, welche das Projektil erst erschafft. Das Unvollständige, Unvollkommene - die Leere als Ummäntelung, als lyrische Patronenhülse. Leere die Assoziation heraufbeschwört gleich einem Projektil.
lylo - 25. Jan, 23:17

ach, ich

kann jetzt hier nichts so grundgescheites dazu sagen, aber
mir gefallen diese gedichte alle ausnahmslos sehr gut!
zu diesem blonden statement noch eine blonde lylo-frage: machst DU die übersetzungen?
ich finde es ganz toll. der klang ist so wunderschön (ich lese laut!)
lg von der lylo

TheSource - 26. Jan, 11:26

Das ist eine ganz interessante Sache

mit dem Klang. Ich mache das auch ganz häufig mit Originaltexten, sie mir laut in der Sprache zu lesen, in der sie geschreiben wurden - so gut ich eben deren Intonation beherrsche. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich die Sprache fließend spreche - vielmehr ist es die Melodik der Modulation, die tiefere Eindrücke vermittelt; der Laut selbst in seiner Malerei dringt vor in Sphären, die ich nicht unbedingt benennen kann. Aber er erzeugt Bilder, Gefühle, An- und Einsichten (Angefangen hat das alles einstmals mit einer zweisprachigen Ausgabe von Neruda - ich las auf Deutsch, dann las ich es laut auf Spanisch - und auf einmal wurden die Bilder derart dicht, lebendig, voller Farben, Stuktur, ja Gerüchen und Geschmack!). Sinnlich wäre vielleicht der Begriff, so unzureichend er anmuten mag.

Die Übersetzungen sind von mir und ich freue mich, dass sie Ihnen Freude machen.
lylo - 26. Jan, 17:18

nun hiermit

sprichst du mir nun voll aus der seele. da kann ich auch mitreden ;-)
wie gesagt, ich lese jede lyrik laut. die melodik ist ein wichtiger bestandteil bei gedichten für mich. ich habe auch früher viel mehr an meinen gedichten gearbeitet. aber dann bin ich eines tages draufgekommen, dass sie wohl im rhythmus besser werden, aber die melodie, den klang verlieren. von der aussage - und dem dadurch entstehenen bild noch einmal abgesehen. ja und neruda lese ich auch zweisprachig, obwohl ich höchstens 3 worte spanisch verstehe. ich habe aber einmal einen spanischkurs begonnen und habe ein bisschen ein ohr für aussprache. deshalb klingen die in meinen ohren auf spanisch einfach schön. und verstehen tu ich sie dann halt auf deutsch oder "nur" mit dem bauch. denn für mich besteht der sinn und das wesen von gedichten, dass ich sie spüren muss, dass ich sie hören und sehen kann, also nicht die worte, sondern, wie du schreibst, sinnlicher genuss im umfassenden sinn. sie müssen in meinen ohren klingen, in meinen augen tanzen und in meinem kopf bilder zeichnen. und dann noch in meinen eingeweiden rumoren. ich verstehe genau, was du meinst.
und diese übersetzungen sind aus dieser sicht selbstverständlich für mich wunderbar!
noch einmal danke dafür.

lg lylo
parallalie - 26. Jan, 21:41

zum bildfinden von KLING:

blindfäden führen
blindfäden zu
blindfäden über
blindfäden

und bild fänden
sonst nur
bild fänden sonst
nur bild fänden
sonst nur

ur

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