Narrenehre
Dann stand ich hinter den Kulissen rum und hatte Ehrfurcht vor den Exaltierten, den ewig Aufgeregten, den Schauspielern, die sich die echten Töne selber nicht mehr glaubten und deshalb gleich die falschen aus dem Sack ziehn, die, um am großen alten Echtheitszweifel nicht zu verzweifeln, um an der Angstidee: "Ich selber bin die frei erfundene Figur", nicht durchzudrehen, das Gegenspiel in Szene setzen, die Kaschperei als Eigenschöpfungsakt und als Fanal: "Wir sind die anderen, geschminkt, verschmiert, stigmatisiert vom falschen Ton".
Frei kam das dem Kind vor, angefeindet wie alles Freie und es brannte darauf, dazuzugehören: Märtyrer für die Sache der Kaschper, mit dem Herzschwert für deren falschen Ton ins Feld! Oder wars bloß mein Gesicht für die Grimasse hinter der Maske, mein Nachtbild derer, die schweißnass in ihren Löchern liegen, wenn die wahre Minute sie niederzwingt, wenn sie standhalten müssen ohne zu schmieren? oder bloß kindliches Gespür für den letzten verdrehten Rest Mysterium , fürs alte Spiel mit seinen rituellen Spielern, die Ahnung, dass nur einer, der mit festen Riesenfüßen zum Chaos übertritt, ins Ungeheure mitreißt, ins wirkich Wahre, um der viel zu wahrgenommenen Welt mit seinem falschen Ton den Kampf anzusagen?
Wenns aber so war, wenn es das war, und ich darum an allen vier Theaterecken darauf lauerte, den Schrecken zu erfahren, den Stoß zu empfangen, der mich hinüberstoßen sollte in den unmarkierten Raum, um daher wiederum Gewißheit zu erlangen, dass die Welt nicht alles ist, was der Fall ist, dann danke ich den Kaschperln, Hanseln, Wursteln, den Narrenspielern, Harlekinen und Schmieranten.
[Aus: "Zimzum", Ulla Berkéwicz]
(Um wieviel mehr die Literatur sich selbt als frei erfundene Figur sucht und in gleicher, doch anderer Narretei sich verzahnt. Des Stosses ins Chaos ebenso bedürfend)
>>>
[Painting by Vladimir Kern]
Texte
Frei kam das dem Kind vor, angefeindet wie alles Freie und es brannte darauf, dazuzugehören: Märtyrer für die Sache der Kaschper, mit dem Herzschwert für deren falschen Ton ins Feld! Oder wars bloß mein Gesicht für die Grimasse hinter der Maske, mein Nachtbild derer, die schweißnass in ihren Löchern liegen, wenn die wahre Minute sie niederzwingt, wenn sie standhalten müssen ohne zu schmieren? oder bloß kindliches Gespür für den letzten verdrehten Rest Mysterium , fürs alte Spiel mit seinen rituellen Spielern, die Ahnung, dass nur einer, der mit festen Riesenfüßen zum Chaos übertritt, ins Ungeheure mitreißt, ins wirkich Wahre, um der viel zu wahrgenommenen Welt mit seinem falschen Ton den Kampf anzusagen?
Wenns aber so war, wenn es das war, und ich darum an allen vier Theaterecken darauf lauerte, den Schrecken zu erfahren, den Stoß zu empfangen, der mich hinüberstoßen sollte in den unmarkierten Raum, um daher wiederum Gewißheit zu erlangen, dass die Welt nicht alles ist, was der Fall ist, dann danke ich den Kaschperln, Hanseln, Wursteln, den Narrenspielern, Harlekinen und Schmieranten.
[Aus: "Zimzum", Ulla Berkéwicz]
(Um wieviel mehr die Literatur sich selbt als frei erfundene Figur sucht und in gleicher, doch anderer Narretei sich verzahnt. Des Stosses ins Chaos ebenso bedürfend)
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[Painting by Vladimir Kern]
Texte
TheSource - 6. Nov, 17:23
Für Sie
;-)
"Des Stosses ins Chaos ebenso bedürfend":
Er ist die Personifikation des Namenlosen, das hinter dem Wort lauern kann. Darum bin ich so gespannt auf jeden neuen Satz.
Der Schwätzer:
Ich hatte ein komisches Konzept
Der Schwätzer ist ähnlich, nur deckt er mehr ab als der Mulmer.
"Er mulmte ganze Leben zunichte"
Das ist wirklich ein ganz toller Ausdruck! Da braucht es gar keine Geschichte drum herum... Wenn Sie sehen könnten, was sich da meine Synapsen derzeit an diesem Satz abmühen!
Steigerungsform.
Hernach war ihm mulmig, da nichts mehr zum Zermulmen übrig war.
(Ich weiß wirklich nicht, ob ich es als nur e i n e n Satz (wie oben von Ihnen zitiert) bei TmC einstellen soll. *Lacht herzlich)