Wilhelm Klemm:

Die Sprache

Ein wildes Ungetüm mit tausend Zungen
mit Augen, die wie Feuerräder schwingen,
und wehendem Gebläse heißer Lungen

läßt seine staubigen Riesenflügel klingen,
am Boden streifend, träg im Dämmerlicht.
Wir aber wagen näher nicht zu dringen.

Und plötzlich türmt es sich, die Erde bricht,
die Sterne taumeln unter seinen Nüstern,
es streift des Herrn ehrwürdig Angesicht.

Schäumt, lästert, brüllt auf wilden Sturmregistern,
beruhigt sich, wird leichter, dünner, reiner,
und lagert auf dem Morgenrot, ein feiner

Dunststrich, drin tausend fremde Namen flüstern.




[Wilhelm Klemm, *15. Mai 1881 in Leipzig als Sohn eines Buchhändlers. Medizinstudium. Im Ersten Weltkrieg als Oberarzt im Felde. Später Verleger in Leipzig, seit 1945 in Wiesbaden. † 23. Januar 1968 in Wiesbaden - da war ich zwei Tage alt]

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