Azur


zlatnirat


Und dann, beim Blick durch das Bullauge des Flugzeugs, klaffte es plötzlich auf. Das ganze jammervolle Menschsein, die Unruhe, die Wurzellosigkeit, die Zerrissenheit. Es gab keine Heimat und hatte nie eine gegeben. Allein werden wir geboren, allein sterben wir, die Zeit dazwischen verschwenden wir an den Traum, an die Illusion der Zweisamkeit. Oder an die Projektionen der Zugehörigkeit, einer beliebigen hinzu. Ob Rasse, Geschlecht, Ideologie, Nation, Überzeugung - es spielt gar keine Rolle. Ziellos treiben wir, ziellos sind wir. Erschaffen Sinn als Ruhestatt für unseren Jammer, ein sanftes Lager auf dem wir die Angst betten, behutsam, zärtlich, verhalten. Bevor der Traum zerplatzt. Ein Loch in den Himmel reißt. Die Lüge aus den Augen wischt wie Sand.


[Reflektierte Gedanken von 1998 - Bilder: Bol, Insel Brač, Kroatien]


Rubrik: Stigmata


modra20spilja
moccalover - 11. Okt, 22:58

So kräftig wie das Bild ist der Text, der ganz andere Farben trägt. Der gefällt mir sehr. Über den Wolken verliert auch die Sinnlosigkeit ihre letzten Grenzen. Aber ich frage mich manchmal: Muss uns das denn traurig machen?

TheSource - 11. Okt, 23:01

Nein.

Manchmal macht es uns traurig. Manchmal glücklich. Und manchmal gilt es uns schlicht gleich.
Exkurs - 11. Okt, 23:05

Im Alleinsein

sind wir wenigstens nicht allein. Das schafft Gemeinsamkeit.

V - 11. Okt, 23:22

Kann man ohne Illusion, nur in der Leere, leben?

TheSource - 12. Okt, 01:11

Ich bin

- nach reiflicher Überlegung - überfragt.
Anscheinend ja.
Anscheinend nein.
V - 12. Okt, 01:47

Weiß es auch nicht genau.
Hackmeck - 12. Okt, 01:40

Selten so viel tiefe selbst nachempfunde Wahrheit in so wenigen Worten gelesen.

hab - 12. Okt, 08:12

Titelvorschlag:

"Uranus legt sich schlafen"

TheSource - 12. Okt, 21:26

Mir ist,

aufgrund der Tatsache, dass diese Sandbank laufend ihr Aussehen verändert (je nach Windrichtung und Meeresströmung) gar nicht aufgefallen, dass sie auf diesem Bild phallisch ist (zumeist sieht sie aus wie ein Dorn oder Zahn).
Dennoch: "...legt sich schlafen"? In der See?
Ich kann mich nicht anfreunden damit - vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass Uranus Entmannung in eben das Meer fiel: Zur Geburt Aphrodites und der Erinnyen.


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neo-bazi - 13. Okt, 04:07

Einsamkeit ist nur ein Gefühl, etwas Vorübergehendes - wie die Liebe. Ich glaube an die eine große Seele, aus der wir alle kommen, die wir sind und wieder werden. Schritte im Kreis. Allein ist nicht einsam.

TheSource - 16. Okt, 14:22

All-ein.

Die Frage des Glaubens ist nicht relevant für die Literatur an sich. Sie können die rationalistische Philosophie mit dem starken Surrogat des Hindu-Mystikers aushebeln und dessen Atman wiederum mit der ersten großen Wahrheit Buddhas: "Alles ist Leid". Das ist schön. Das ist faszinierend. Ich will Ihrem "großen Einen" auch gar nicht widersprechen, aber glauben Sie mir: Auf Dauer wäre es unsäglich langweilig, wären alle Protagonisten der Literatur Buddhas. Geschichten handeln von Personen. Nicht selten auch von starken Emotionen, welche eben nicht von dem Gleichmut initiiert werden, der einer Guatama-Philosophie zugrunde liegt. Wenn die Dialektik selbst mystisch wird, können wir am Ende auch sagen: Warum überhaupt das Leben hinterfragen?

Vielleicht wäre es schlauer, dies gar nicht zu tun - ich habe keine absoulute Antwort, nichts ist a priori allgemeingültig ohnehin. Aber die Personen in den Geschichten fühlen sich zuweilen einsam. Und dies macht dann eine der vielen Triebfedern ihres Protagonismus erst aus.
neo-bazi - 16. Okt, 15:26

Beichte

Ich habe mich nie ernsthaft mit irgendeiner Religion auseinandergesetzt. Am Buddhismus gefällt mir vor allem die Reihenfolge der Verhaltensmaßregeln (1. Du sollst nicht töten 2. Du sollst nicht lügen usw). Das scheint mir für mein eigenes Leben wichtig, bedeutsamer jedenfalls als 1. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben. (Du sollst nicht töten ist Nummer 5, wenn ich mich recht erinnere).

Den Islam mit seinen 17 Jungfrauen für den Mätyrertod oder den Katholizismus mit dem Dogma der Himmelfahrt Mariens mit Leib und Seele kann ich nicht nachvollziehen. Aber ich bin schon alt und die Vorstellung des Wieder-Erkennens befreundeter Seelen in dieser einen großen Seele hat einen gewissen Charme. Trost wäre wohl ein treffenderes Wort. Überwiegend selbst gebastelt.

In der Literatur lasse ich mich oft von schönen Worten wegtragen und ich lache gern. Das Sezieren/Analysieren von Texten ist meine Sache nicht, dafür fehlen sowohl Interesse wie Voraussetzung.

Viele Grüße an einem herrlichen Sonntag!
TheSource - 16. Okt, 15:58

Genau genommen

- wiewohl zu den Weltreligionen gezählt - ist der Buddhismus keine Religion.
Jedoch wollte ich darauf hinaus, dass die meisten Bücher, die mystische Intention haben, im Grunde ziemlich langweilig sind. Dafür aber einfach zu schreiben:

"Station 23 im Leben des Guatama Buddha

Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum. Er saß unter einem Baum..... dann erhob er sich und sprach: Samadhi".


buddha_under_his_tree


Im Grunde ist damit alles gesagt - und nichts. Crowley würde sagen: "Ich speie auf deinen Guatama, er war von Ausschweifung degeneriert und außerdem verabscheue ich die Askese - ich bin ein Mann und zudem Kelte!" -- auch damit wäre alles gesagt... und gar nichts.
Sprechen wir von Azur... dann sprechen wir a l l e auf gewiße Weise.
Vielleicht ist dies das wirklich Bezaubernde an und Verzauberte der Literatur.

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