Arbeitsnotate

Donnerstag, 15. September 2005

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Indem er das Unfassbare getan hatte, blieb ihr nur noch das Warten.
Zuerst war sie verletzt gewesen, die Demütigung, die aus jedem Wort sprach, aus jeder Geste, aus seinem gesamten Habitus, raubte ihr die Worte, ließ ihr die Tränen in die Augenwinkel schießen, bis sie sich an den Wangen in Zorn entluden. Zwei weitere Tage verbrachte sie in einer Lähmung, den sich zusammenballenden Zorn beobachtend wie ein Jäger das Wild. Als der Zorn dann an die Oberfläche drängte, mißtraute sie ihm. "Das ist auch nur eine Bindung an diese Person", verlautbarte sie am Telefon ihrer besten Freundin, "ein emotionales damit zu-tun-Haben; ich will jedoch nichts, gar nichts zu tun haben damit. Es widert mich an".
Die Empörung um sie herum wuchs, sie verstand es, konnte aber nicht wirklich daran teilhaben. Nach einigen Wochen nämlich hatte sie festgestellt, dass dieses Erlebnis nicht einmal für eine literarische Vorlage reichte, der sich offenbarende, zynisch-feige Charakter des Protagonisten nicht genug hergab, es in eine Erzählung zu bringen - zumindest nicht, ohne dass es Arbeit gemacht hätte, seiner Kontrulosigkeit Substanz (hin)zuzufügen. Sie beschloß also, abzuwarten, ob es für eine klitzekleine Kurzgeschichte reichte und wandte sich ab. Und doch war all das nur eine Ruhe vor etwas undefinierbar Eisigem, das kein Sturm sein würde.
Soviel, wenn auch nur das, war sicher.


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Dienstag, 13. September 2005

Zentaur.

Ich bringe Dich nach unten. Unter die Knochen und die Haut, die Zähne und herabfallenden Wimpern; unter den Atem, der am Boden entlangstreicht, unter die Schritte, die vor Jahren verhallt auf unter Geröll begrabenen Strassen. Ich nehme Dich hinab unter die Sehnen und das Fleisch, die Namen und die Türen, unter die Schwellen und Geschichten, die Fenster und das Flüstern. Ich bringe Dich unter das Uhrwerk der Zeit; dort sieh´ selbst.

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Donnerstag, 8. September 2005

Der Gutmensch.

In Anlehnung an die Diskussion über das Einbringen persönlicher Erfahrung, die zwingend in ein literarisches Werk einfließt, heute Skizzen zur Erzählung "Gutmensch" gemacht. Durchlebt. Duchstaunt.
Und tatsächlich ist es die prometheuschste aller Rachen, Charaktere in ihrer unmenschlichen Interaktion zu verewigen. Sozusagen die Ewigkeit als Alliierte.



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Samstag, 3. September 2005

Argus. Variation XI

Du kannst nicht vor dem Tod stehen und jammern.
Vor einem Menschen, der den Tod bringen könnte - ja.
Aber nicht vor dem Tod selbst.


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Donnerstag, 1. September 2005

Sweet Abyss X

Während die Schritte im Treppenhaus widerhallten, zog der Duft von frisch Gebratenem in die Nase, füllte den Mund, streichelte lockend den Gaumen, speichelte den Rachen. Jeder Schritt wankte fort, nicht dass die Füße weniger stabil auftraten, nein, es war ein akustisches Wanken, als würde die Zeit zwischen Geräusch und Gehör zerstückelt. Und auch daraus sprach die Fremde. Andere würden dieses Mahl verzehren, nur der Zerissenheitsmoment sich an den Duft erinnern, den knurrenden Magen, den gehobenen Finger zur Klingel vor der nachbarlichen Tür. Das Zögern, das Wegdrehen, die Manifestation einer Einsamkeit, von der der Körper selbst zu berichten weiß in einer Symbiose aus Singularität, Vakuum und Schweiß.



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Mittwoch, 27. Juli 2005

Pyramidos.



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Das ist das Grauen, ungeboren vor dem Tod zu stehen; das ist Ausweglosigkeit, gekreuzigt auf den Zäunen des Nirgendwo, adamanten geworfen auf den Fluch der Ewigkeit ohne Form. Nichts öffnet das Lid.


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Freitag, 15. Juli 2005

Zwischentöne.



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"Ich sage Ihnen", sprach er, "der Wachzustand ist nicht wirklich als produktiv anzusehen, wenn Sie etwas ändern wollen".






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Donnerstag, 14. Juli 2005

Maat und der Schakalgott.

Den Mantel des Schweigens breiten
Über die Existenz des Vordergründigen
Wie ein Berg den Gipfel bedeckt
Ein Baum vom Laube lässt.


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Montag, 11. Juli 2005

Capricornus.

Als er sie dem Tod entriss, geschah dies auf eine sanfte, ruhige Art. Er war niemand von jenen, die suchen, zu leuchten oder zu strahlen; die Saiten seiner Seele waren schon zu lange auf die pulsierende Laute der Erde gespannt, als dass er nicht begriffen hätte, dass jene, die zu leuchten suchen, kein Licht mehr für die Welt übrig lassen und den Schatten auf die Menschen, die sie umgeben, werfen gleich einem Fluch. Ysaj war erinnert an alte Mythen, in denen der verbliebene Teil einer großen Liebe in die Unterwelt hinabsteigt, um den Geliebten aus den Fängen des Todes zu erkaufen, dem Tod die Seele abzupressen, ohne die der Mensch nicht mehr bereit ist, am Leben teilzunehmen. Niemals zuvor hatte sie jemanden so ruhig in der Dunkelheit gehen sehen, den Pfad sicher vor Füßen, als könne ihn nichts erschüttern, ihn, den Sohn der Erde, und tatsächlich gab der Tod sie frei, wich zur Seite und schlich davon, die Bürde des neuen Lebens genau auf ihren Scheitel legend.
Denn ist es nicht so, dass in eben diesen Mythen die Toten sich erheben und Ishtar aus der Unterwelt folgen durch die Tore von Kutu? Der Tod würde es niemals hinnehmen, ein leeres Reich zu regieren.

Dienstag, 31. Mai 2005

Hades III

Etwas, das Du bei Tageslicht nicht aussprechen darfst.
Das im Dunkel liegt, genau unter Deiner Haut, und über den Schweiß austritt, über die Tränen. Was Du im Spiegel siehst, wenn Du Dich fragst, was Fleisch, Haut und Sehnen verbergen.


[Tee mit Choronzon]


Zeit wird es gennant, Zeit und Erfahrung.
Das Hinabsteigen in die Erkenntnis, dass Jugend nicht ewig währt.
Freundschaft nicht ewig währt. Nichts ewig währt.
Es ist Ouranous, der Himmel, der die Zeit nicht in die Geburt lassen will, nicht kann, denn sie bedeutet die Endlichkeit. Der Himmel ist der Verlust, den wir in Kauf nehmen müssen, wenn wir Zeit akzeptieren - und niemand hat ihr bisher widerstehen können, nicht einmal die Liebe, so zeitlos sie auch sein mag.
(Darum ist gesagt worden, dass es für Venus nichts Schlimmeres gibt, als ihren himmlischen Ursprung zu verlieren. Bei der Geburt Aphrodites aus dem flüssigen Element emanierten gleichZEITig die Erynnien).

Die Erfahrung des "Ewigen" führt über Tod. Führt sie zurück zum Himmel?
Dies ist die Große Frage. Das ist Hades.

Und NINNGHIZHIDDA löste den Riegel der Tür.
Und Dunkelheit fiel auf ISHTAR.
Die Dunklen Wasser erhoben sich und trugen die Göttin
des Lichtes
nach den Bereichen der Nacht.
Und die Schlange sprach:

"Tritt ein,
Himmelskönigin vom Großen Wohnort,
dass KUR sich erfreue,
dass TSCHUTA danksage,
dass KUTU lächle,
tritt ein,
dass KUTULU von deiner Gegenwart erfreut sei".
Und ISHTAR trat ein.
Und es gibt Sieben Tore und Sieben Erlasse.

Am Ersten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Krone hinweg.
Die Große Krone, von ihrem Kopf nahm er sie.
Und ISHTAR fragte:
Warum, Schlange, hast du mein Erstes Juwel genommen?
Und die Schlange antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Regeln der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Erste Tor.

Am Zweiten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm den Stab hinweg.
Den Stab aus Lapis Lazuli nahm er.
Und ISHTAR fragte:
Warum, NETI, hast du mein Zweites Juwel genommen?
Und NETI antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Erlasse der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Zweite Tor.

Am Dritten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Juwelen hinweg.
Die Juwelen um ihren Hals nahm er.
Und ISHTAR fragte:
Warum, Torhüter, hast du mein Drittes Juwel genommen?
Und der Torhüter antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Erlasse der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Dritte Tor.

Am Vierten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Juwelen hinweg.
Die Juwelen auf ihren Brüsten nahm er.
Und ISHTAR fragte:
Warum, Wächter des Draußen, hast Du mein Viertes Juwel genommen?
Und der Wächter antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Regeln der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Vierte Tor.

Am Fünften Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Juwelen hinweg.
Den Juwelengürtel von ihren Hüften nahm er.
Und ISHTAR fragte:
Warum, Wächter des Verbotenen Eingangs, hast Du mein Fünftes Juwel genommen?
Und der Torhüter antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Regeln der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Fünfte Tor.

Am Sechsten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Juwelen hinweg.
Die Juwelen um ihre Handgelenke nahm er,
die Juwelen um ihre Fußknöchel nahm er.
Und ISHTAR fragte:
Warum, NINNKIGAL, hast du mein Sechstes Juwel genommen?
Und NINNKIGAL antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Erlasse der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Sechste Tor.

Am Siebenten Tor.
NINNGHIZHIDDA nahm die Juwelen hinweg.
Die juwelenbesetzte Robe nahm er.
ISHTAR, ohne Schutz, ohne Sicherheit,
ISHTAR, ohne Amulett, ohne Talisman, fragte:
Warum, Bote der Alten, hast Du mein Siebentes Juwel genommen?
Und der Bote der Alten antwortete:
Dieswegen ist es, der Alte Vertrag legte vor der Zeit
die Erlasse der Herrin von KUTU fest.
Tritt ein in das Siebte Tor und sieh die Unterwelt.



Zitat (kursiv) aus dem: Necronomicon.

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