...

In den Städten verkrochen sie sich gleichermaßen. Parzelle neben Parzelle, stumpf gegen jedes Leben, das durch die Wände dringen könnte, in ihre Einsamkeit sickern; mit Ausnahme von Ärgernissen, die einander dann vorgehalten wurden, manchmal hinter vorgehaltener Hand, dann wieder durch die Einschaltung von Instanzen. Trotzdem war die Annahme, auf dem gelben Berg in Einsiedelei zu leben, sei der schwere Weg, ein Irrtum. Die Städte mit ihren Drohnenbehausungen sind die wahre Herausforderung; in all ihren Verzerrungen ja sogar in der Pervertierung des Lebens. Dort zu bestehen verlangte die Kraft der Natur, eben jene Kraft, welche die Stätde aussperrten, verdrängten, unter ihrem Lärm täglich zu Grabe trugen.
Das Loch war erst ungefähr 20 cm tief, doch Ysaj schwitze unter ihrer Winterkleidung, der gefrorene Boden bot jetzt einen fast federnden Widerstand, an dem der Spaten abprallte, bevor sie ihn mit ihrem Körpergewicht gegen den schlafenden Frost stemmte. Erdklumpen und feines Wurzelwerk. Es war nicht richtig. Nicht inmitten der Stadt. Die Stadt, die aussaugte, assimilierte, auswarf und zermalmte. Alles unter sich begrub. Es war nicht richtig. Ihr kam in den Sinn, mit dem Frost zu sprechen, der sich so hartnäckig gegen die kleine Schaufel wehrte, vielleicht war sein unerschütterlicher Schlaf schon die Antwort auf ihre Zweifel. Man spricht besser mit dem Frost oder den Krähen, dem Komposthaufen und den Büschen. Sie sind keine Ansammlungen von Überzeugungen und Thesen, sie machen dich nicht müde durch Erklärungen und Diskussionen. Noch wickeln sie dich ein in ihre Erwartungen wenn du ihnen begegnest. Sprich mit dem Regen und er wird Neues zu berichten haben. Sprich mit den Bäumen und sie wissen von Liedern, die seit Jahrhunderten vergessen. Oder lausche dem Wind: Er weiß alles über deinen Atem. Nichts, was du je von Menschen zu hören bekommst, ist dazu in der Lage.
Ysaj hielt inne. Der Spaten steckte fest.



Rubrik Ulmenjahr
guanako - 24. Okt, 16:22

erinnert mich auch etwas...

...an fast schon ausgestorbene italienische dörfer der lombardia, dem piemonte oder valle d'aosta (wo jetzt manchmal doch wieder neues leben hinzukommt; kleines handwerk bzw. regionale produktion), und an deren interessant anmutenden abseitigkeiten. dorten könnte ich es mir beispielsweise auch noch gutgehen lassen wollen, wenn bestimmung mit dem umliegenden "terrain" übereinstimmte...

...sprich mit den wolkengeistern, wenn sie, mal die sonne verspiegelnd, doch gleichermassen in bunter regenbogenpracht glitzernd, das lebendige nass spenden...

(wozu eigentlich das loch? gebeine? toter vogelkorpus? - neue saat?)

TheSource - 24. Okt, 19:20

Ysaj beabsichtigt,

etwas zu vergraben. Worum es sich handelt, wird später im Roman in den nachfolgenden Passagen erwähnt - man will halt nicht alles vorab auf dem Blog verraten ;-)
guanako - 24. Okt, 19:25

kleine andeutung?

oder sterb ich dann vielleicht (zwar jung, aber unwissend) ohne einen diesbezüglich minimalen tip?
TheSource - 24. Okt, 19:34

Die Andeutung

würde ja gar nichts bringen, da "Ulmenjahr" nur fragmentarisch einsteht und diese Information nur dem Plot vorgriffe, Ihnen aber nicht weiterhelfen würde.
Aber ich versichere Ihnen, dass der Roman noch vor Ihrem natürlichen Ableben fertig ist ;-)
guanako - 24. Okt, 20:17

kirschkern? amulett? adlerfeder?

nun-gut, ich seh's nun ein und gebe ruh.
aber eine versicherung bezüglich der gewissheiten eines ablebens sollten Sie niemandem geben (wünschen jedoch schon). denn wer weiss, was der nächste morgen so wirklich zeitigen könnte. also hoffen wir das beste für uns, und dies aus innerster überzeugung und mit inbrunst, hoffentlich... :o)
TheSource - 24. Okt, 20:33

einen Sprössling, eine Leiche, einen Milchzahn?

Bezüglich der Versicherung haben Sie vollkommen recht, daher steht oben auch:
Aber ich versichere Ihnen, dass der Roman noch vor Ihrem natürlichen Ableben fertig ist ;-)

Die natürliche Betonung auf dem Natürlichen. Diesbezüglich tausche ich Hoffnung dann auch gern gegen Gewißheit :-)
guanako - 25. Okt, 08:08

dem natürlichen dahinscheiden...

...oblag seine begierde, so lang wie möglich im hierzustand zu verharren. aber dass er nun ausgerechnet von einem taubeneigrossen hagelkorn niedergestreckt werden sollte, ward ihm in genau diesem moment doch als ein sehr aussergewöhnlich abwegiger abgang bewusst geworden - ein natürliches gewaltereignis sehr persönlicher natur, und hinmit auch tragikomisch zugleich. denn seine schwester ging letztes jahr durch einen gewitterschlag von hinnen... *g*

(:des.haarspalters.spitzfindigkeitenkabinett:)
neo-bazi - 25. Okt, 18:36

Seltsam, sogar ich bin sicher, daß ich diese Geburt noch erleben werde. Fragen Sie mich nicht, warum.

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