Samstag, 20. Januar 2007

Zero. Imperfekt [Fragment]

Und die Henne, wie im Buch, saß immer noch im Hinterzimmer des Krämerladens und versuchte, den Bücherkarawanen, die mit Amir kamen und gingen, die Natur des Leides zu erklären. "Die Götter haben die Sprache nicht erfunden", rief sie jedem neuen Buch zu und es war auch der letzte Satz, den sie an die Bücher zu richten pflegte, wenn Amir sie wieder mitnnahm. Er hörte die Henne nicht sprechen. Jeden Morgen nahm er ein Ei aus dem Nest, nie waren es zwei, und, wie im Buch, enthielt jedes dieser Eier eine Stunde Lebenszeit, die Samstagseier sogar einen ganzten Tag. Doch auch davon ahnte Amir nichts. Im kühlen Dämmerlicht hinter dem Krämerladen las er, was die kleine Bibliothek des Ortes hergab, las mit solcher Inbrunst, presste mit leiser Stimme die Sätze aus den Seiten, dass die Bücher unter seinem Blick ächzten. Ohne sein Zutun war Amir wieder dort angelangt, wo er sich befand, bevor er in den Krieg gezogen war. Er aß zwei Eier die Woche, badete im örtlichen Badehaus und mied dort den Dampf, der ihm das Lesen unmöglich machte. Sein Blick für die Welt war stumpf, all seine Schärfe war in der Raserei der Kriegsjahre verbrannt. Ob Weib, ob Schlachtkamerad, Gelehrter oder Kind, er sah durch die Menschen hindurch wie durch Glas. Nur wenn er über Buchseiten glitt, verlor sein Blick das Trübe und wurde weit, wenn auch nicht so klar wie früher. Mit der Zeit mieden die Nachbarn ihn, Einladungen wurden spärlicher ausgesprochen, sein Platz im Bad unflankiert.




Arbeitsnotate

Die Wahrheit und das Wahre XIII

Worüber ich nachsann, ohne es in Frage zu stellen, ist die Aussage, man könne nur jemanden heiraten, den man als für mehr im Bunde mit dem Leben erachtet, als man selbst es ist. Mr war, als hätte ich selbst dies geschrieben, so vertraut schienen mir diese Worte, so selbstverständlich. Was haben Sie mir vorgelesen, als ich schlief?

Geno Hartlaub. Zwischen all dem Weiß wirkten Sie so verloren und Ihr Atem erinnerte mich irgendwie an "Die Uhr der Träume". Dieser Satz kommt wirklich darin vor.

Zero 333 m/sec

Lüge, Lüge, Lüge!
Du brauchst nur einige wenige Monate, eine lächerlich unbedeutende Zeitspanne, nicht ihr Spiel zu spielen. Und schon bist du nicht mehr Teil davon, ein Gedeck weniger in ihren Mannschaftsquartieren. Sie vergessen alles, weil sie sich vergessen haben. Nichts ist ewig! Nichts lebt hier! Ich aber bin das Wissen um alles! Nichts existiert, was noch gesagt werden müsste, aber ihr kritzelt eure Worte wie Ikonen. Dabei gibt es keine neuen Geschichten. Ich, ich, ich sage Dir: Es gibt gar keine Geschichten! Nur Laub, das der Wind abträgt! Wo ist nun Dein Gott, Dein Adonai, Dein Engel? Er hat nie existiert, Du hast nie wirklich existiert, darum konnte ich Euch so leichthändig erdrosseln. Wie kleine Täubchen, wie kleine Täubchen....und es war mir egal.


Ein Dämon bar jeden Hasses und gänzlich ohne Furcht ist gar dem Jenseitigen gefährlich. Hinter seinem Rücken brechen die Knochen der Zeit auf einem seltsam winzigen Amboß.
Wirf die Worte hinab in den Abyss. Sei Niemand. Schweige. Antworte nicht. Auch nicht dir selbst.


Tee mit Choronzon

Lieber Freund, die Eulen

Ich bin an den Eulen gescheitert.
An diesen Nachtwesen, so spezialisiert, so ausgeformt und daunig befiedert und ich, noch im Kokon und voller Furcht um meine Schemtterlingsflügel. Ich bin an den Eulen gescheitert mit jedem Tag, der verstrich. Schweigende Musen. Beim Zigarettenholen, im Vorbeigehen, der aufdringliche Geruch falsch gewählten, billigen Rasierwassers von jugendlichen, bartlosen Gesichtern. Ihnen folgten rauchende, stark geschminkte Mädchen, alles was sie über Eulen wissen, haben sie aus Harry Potter. Wochenlang schlich ich durch die Parks der Stadt, wenn niemand mich vermißte, bei Nacht. Einen Kauzruf zur Hoffnung. Zwischen schlafenden Tieren aus Stahl und bunten Nashörnern eindringliche Reklamen ohne Stimme. Die Zugvögel schon lange fort, sie lassen ihren irgendwo entflohenen tropischen Verwandten zurück, dessen Stimme gegen den Winter zittert. Ich sperre den Winter aus, damit die tropischen Rufe am Morgen nicht verklingen. Jeden Morgen horche ich bang. Der Winter antwortet mit Stürmen, ich suche weiter. Mein Kokon will nicht wachsen. Ich kann mir keine Eule mehr vorstellen. Sie sind sämtlich ausgestorben in meiner Welt der weißen Kokons und weißen Laken, der klinischen Sauberkeit, der fehlerhaften Gerüche. Oh, ich weiß, was ich früher getan hätte. Ein Blick in den Spiegel hätte mir eine Eule gezeigt oder eine Feder, ein Kind oder eine Königin. Jetzt erblicke ich nur seßhafte Suche um die Mundwinkel. Jeder neue Morgen ein Zittern: Die tropische Stimme wird schwächer. Ich habe im Zoo angerufen, im Oktober schon, sie wollten sich kümmern, sie versprachen, sich zu melden. Ich warte.
Ob sie dort Eulen haben, vergaß ich zu fragen.


Schmetterlingsclan


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