Donnerstag, 15. September 2005

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Indem er das Unfassbare getan hatte, blieb ihr nur noch das Warten.
Zuerst war sie verletzt gewesen, die Demütigung, die aus jedem Wort sprach, aus jeder Geste, aus seinem gesamten Habitus, raubte ihr die Worte, ließ ihr die Tränen in die Augenwinkel schießen, bis sie sich an den Wangen in Zorn entluden. Zwei weitere Tage verbrachte sie in einer Lähmung, den sich zusammenballenden Zorn beobachtend wie ein Jäger das Wild. Als der Zorn dann an die Oberfläche drängte, mißtraute sie ihm. "Das ist auch nur eine Bindung an diese Person", verlautbarte sie am Telefon ihrer besten Freundin, "ein emotionales damit zu-tun-Haben; ich will jedoch nichts, gar nichts zu tun haben damit. Es widert mich an".
Die Empörung um sie herum wuchs, sie verstand es, konnte aber nicht wirklich daran teilhaben. Nach einigen Wochen nämlich hatte sie festgestellt, dass dieses Erlebnis nicht einmal für eine literarische Vorlage reichte, der sich offenbarende, zynisch-feige Charakter des Protagonisten nicht genug hergab, es in eine Erzählung zu bringen - zumindest nicht, ohne dass es Arbeit gemacht hätte, seiner Kontrulosigkeit Substanz (hin)zuzufügen. Sie beschloß also, abzuwarten, ob es für eine klitzekleine Kurzgeschichte reichte und wandte sich ab. Und doch war all das nur eine Ruhe vor etwas undefinierbar Eisigem, das kein Sturm sein würde.
Soviel, wenn auch nur das, war sicher.


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