Pluto.

Ihre Hände hatten den Boden seit Monaten nicht mehr verlassen. Sandkorn für Sandkorn kritzelte rote Spuren auf ihre Netzhaut, die Winde trieben die Wüste vor sich her, trieben den Körper weiter und verwischten seine schleifende Spur im heißen, schneidenden Sand. In manchen Nächten kam der Schakal so nahe, dass sie seine Körperwärme auf ihrer Haut spürte. Nichts Animalisches war mehr an ihm; er war Anubis, er wartete darauf, ihre Seele zwischen seinen Zähnen davonzutragen an einen geheimen, unbekannten Ort. Der Körper würde zurückbleiben, erblindend, mit überwachen Ohren, sensorisch und stumm.

Tage zerflossen zu Wochen, Wochen zerrannen in Monate und sie kroch immer weiter, wünschte sich das Herz herausgerissen, gut abgehangen, um sich aus seinem Leder Schutz für die Hände zu kauen. Sie war jenseits ihres Willens angekommen, eine Fata Morgana in der Erinnerung ihrer Vorsätze, zwischen Vergessen und Phönixtraum, so dass sie zuweilen selbst glaubte, am Ende dieser Wallfahrt zu sein, aus der die Seele ins Nichts verschlungen würde. Diese Momente ließen den Schakal näher kommen, Überlegenheit formierte sich in seinem Blick zu zielstrebiger Gewißheit und er schlich jede Nacht näher und näher an sie heran, faßte Vertrauen zu ihrer Schwäche, belauerte ihren Wahnsinn.

Als sie seine Kehle durchbiss, liebte sie ihn - als sein Knurren zu einem Winseln erstarb, seine heftige Gegenwehr zerbrach und sich zu einem Mantel des Überlebens ausbreitete, empfand Ysaj Mitleid mit dem Tod.


Rubrik: Ulmenjahr
Exkurs - 4. Mai, 22:56

Wirklich schön geschrieben, der Film läuft vor dem geistigen Auge ab und man fühlt mit

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