Dienstag, 23. Mai 2006

Morning Glory

Ihre Körper haben den Boden nie berührt. Ihre maßlose Verschwendung war nie aus Fleisch, ihre Leben nie eine Notwendigkeit oder gar eine Tragödie. Munter trugen wir sie heim, lebten mit ihnen, suchten sie, verfolgten sie über jeden Quadratzentimeter Erde und bewegten Ozean. Diese faulen, herumlümmelnden Gedichte, die uns Kostbarkeiten sind. Waren Sie je wütend auf ein Gedicht? Sie sollten es sein. Launische, kleine Nebensätze treiben Spuk im Küchenschrank und rauben den Schlaf. Verzogene Konjunktive lassen uns vor der Tastatur in Leere fallen, treiben Schabernack mit der Katze. Der ist es egal. Hat sie doch die Gedichte schon längst durchschaut. In jedem menschlichen Antlitz mehr Schönheit, Dichte, Leben. Und wir tragen sie dennoch heim wie Kleinode, legen sie neben uns aufs Kissen. Hätscheln sie. Verhätscheln sie. Bigotte, kleine Puttchen aus beliebigen Füllhornen. Scherben im Bad. Licht auf den Blättern. Musik in der Nacht.


Join the Blue Ribbon Online Free Speech Campaign


Arbeitsnotate
Buch des Monats
Chatlogs
Chronik des laufenden Wahnsinns
Distichen
Expressionen
Ging-tse
Illuminati
Impressionen
Inspirationen
Nada
Netztrash
Notate
Poems
Poetologie
Prometheus
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren