Rechen.
Die Einladung hatte ihren Sinn. Ein Abend, fein arrangiert in sanfter, kohgetränkter Atmosphäre zur Vertiefung des musikalilschen Erlebnisses. Alles war perfekt, bis ihm auffiel, dass die Platzkarten durcheinander geraten waren. So kurz vor Konzertbeginn hatte es keinen Sinn mehr, herauszufinden, wem der Fehler unterlaufen war, noch war es wichtig in der drängenden Zeit. Er telefonierte fieberhaft, nach fast zwei Stunden hatte er endlich herausgefunden, wer ihre Karten erhalten hatte und erging sich gegenüber der opulenten Stimme am anderen Ende der Leitung in Erklärungen und Entschuldigungen. So kam es, dass sie während der Darbietungen in der ersten Reihe saß; allerliebst arrangiert vom Veranstalter, fast schon schmeichelhaft, während die Melodien an ihr vorbeizogen wie Soldaten einer Parade. Sie wußte nicht, warum die Musik sie nicht erreichte, warum der Sitzplatz ihr ohne scheinbaren Grund unangenehm war ebenso wie der ganze Abend, auf den sie sich gefreut hatte oder warum sie das unbestimmte Gefühl beschlich, etwas versäumt zu haben. Der Abend verlor seinen Sinn wie ein Blatt von fließendem Wasser mitgenommen wird, getragen ins Verlorene. In der letzten Reihe, neben den zwei leeren Stühlen, empört unbesetzt belassen von einer gekränkten Dame und ihrem Begleiter, saß ihr Schicksal, blind wie sie und plötzlich ohne Ziel.
Rubrik: Ulmenjahr
Rubrik: Ulmenjahr
TheSource - 8. Aug, 19:40
Jeder Platz so gut wieder andere,