Blut und Sprache. Variation IV
Die erste Begegnung mit dem Tod hatte ich mit etwa sechs Jahren. Mein Vater besaß einen Jagdhund, Argo; er war von sanftem, freundlichem Wesen und mein liebster Spielgefährte. Ganze Nachmittage fütterte ich ihn mit Breichen aus Schlamm und Gras , oder ich zwang ihn, sich von mir frisieren zu lassen, und er trottete, ohne sich aufzuregen, mit clipgeschmückten Ohren durch den Garten. Eines Tages jedoch, als ich wieder einmal eine neue Frisur an ihm ausprobierte, bemerkte ich eine Schwellung an seinem Hals. Schon seit einigen Wochen hatte er keine Lust mehr zu laufen und zu springen wie früher, und wenn ich mich in eine Ecke setzte, um mein Nachmittagsbrot zu essen, baute er sich nicht mehr hoffnungsvoll seufzend vor mir auf.
Eines Mittags erwartete mich Argo nicht mehr am Gartentor, als ich aus der Schule kam. Zuerst dachte ich, er sei mit meinem Vater unterwegs. Als ich aber meinen Vater, ohne Argo zu seinen Füssen, ruhig in seinem Arbeitszimmer sitzen sah, geriet ich in große innere Erregung. Ich ging hinaus und rief laut schreiend überall im Garten nach ihm, kehrte auch zwei- oder dreimal ins Haus zurück und durchsuchte es vom Keller bis zum Dachboden.
Am Abend, als ich meinen Eltern den obligatorischen Gutenachtkuß geben sollte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte meinen Vater: "Wo ist Argo?" - "Argo", erwiderte er, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen, "Argo ist weggegangen". - "Warum denn?" fragte ich. "Weil er deine Quälereien satt hatte".
[Aus "Geh, wohin dein Herz dich trägt", Susanna Tamaro]
Eines Mittags erwartete mich Argo nicht mehr am Gartentor, als ich aus der Schule kam. Zuerst dachte ich, er sei mit meinem Vater unterwegs. Als ich aber meinen Vater, ohne Argo zu seinen Füssen, ruhig in seinem Arbeitszimmer sitzen sah, geriet ich in große innere Erregung. Ich ging hinaus und rief laut schreiend überall im Garten nach ihm, kehrte auch zwei- oder dreimal ins Haus zurück und durchsuchte es vom Keller bis zum Dachboden.
Am Abend, als ich meinen Eltern den obligatorischen Gutenachtkuß geben sollte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte meinen Vater: "Wo ist Argo?" - "Argo", erwiderte er, ohne den Blick von der Zeitung zu nehmen, "Argo ist weggegangen". - "Warum denn?" fragte ich. "Weil er deine Quälereien satt hatte".
[Aus "Geh, wohin dein Herz dich trägt", Susanna Tamaro]
TheSource - 1. Aug, 01:46
das sitzt.