Sibila Petlevski :: Ein Hund weiß (es) besser

Am Anfang ist uns nicht klar, dass ausreicht, was übrig bleibt
wenn die Blütenblätter abfallen, später schreiben wir Schönheit etwas
Höherem zu, eine Gewohnheit, die wir nicht mehr loswerden.
Überzeugt davon, dieses Fallen müsse von etwas verursacht sein,
sagen wir: der Wind ist schuld. Schuld wäre auch der feuchte Asphalt,
in dem ein Hund den Abdruck seiner Pfote hinterlässt und schuld wäre der
Hund, dem es gelang, die Spur eines zufälligen Streunens zu hinterlassen,
vorausgesetzt, ein Zufall existierte, den man von der

Ewigkeit trennen könnte. Meine Hände sind voller Blumen und Wurzeln,
sagte der Rosenverkäufer, der aussah wie ein zurückgebliebener Junge,
als er sagte, wie ein indianischer Schamane sagen würde: Meine Hände
sind voller Kleidung, in die die Erde sich hüllt.
Wir hätten kaufen können und gehen. Wir hätten die Rosen kaufen können
und einpflanzen, sie eine nach der anderen in den nassen, schwarzen
Teer stecken, um schuld zu sein, dass sie niemals Wurzeln fassen. Sogar
ein Hund weiß besser als wir, die Grenzen seiner Welt zu markieren.




Pas zna bolje

U početku nam nije jasno da je dovoljno ono što
preostane kad otpadnu latice, a poslije pripisivanje
ljepote višku postaje navika koje se ne znamo riješiti.
Uvjereni da otpadanje mora biti nečim izazvano,
kažemo vjetar je kriv. Kriv bi bio i neosušeni asfalt
ako bi u njemu pas ostavio otisak šape, i kriv bi bio
pas koji je uspio ostaviti trajni trag slučajne šetnje,
pod uvjetom da postoji slučajnost od koje je moguće

odvojiti vječnost. Ruke su mi pune cvijeća i korijenja,
rekao je prodavač ruža koji je izgledao kao maloumni
dječak kad je rekao, baš kao što bi indijanski šaman
rekao, ruke su mi pune odjeće u koju se zemlja oblači.
Mogli smo kupiti i otići. Mogli smo kupiti i zasaditi
ruže, zataknuti jednu po jednu u mokri, crni bitumen
da budemo krivi što se nikada neće primiti korijenje.
I pas zna bolje od nas obilježiti granice svojega svijeta.



[Wem die mangelnde Melodik auffällt: Sie ist im Original - wohl sehr bewußt - auch nicht vorhanden. Sibila hat diese Zeilen in einer rauhen, unlyrischen Sprache verfasst, gebettet in eine Grammatik aus Gaze. Und wir stellen fest: Melodik wäre einfacher zu übersetzen als diese bewußte Disharmonie]


Übersetzungen
m (Gast) - 26. Mai, 13:10

Ich habe darüber nachgedacht: "Überschuss" als Übersetzung für "surplus" scheint mir gar nicht so daneben zu sein, höchstens ungeschickt, vielleicht ließe sich ein anderes Wort finden. Es bezieht sich ja auf das, was übrigbleibt, wenn die Blütenblätter fallen. Schönheit gilt also nicht nur den Blütenblättern. Obwohl es nun gar nicht so dasteht (für das Original kann ich es nicht beurteilen) würde ich anstelle von "Höherem" den Ausdruck "Tieferem" verwenden. Zurückgehend auf dem Kranz von Blütenblättern,die - wenn gefallen - das Herz der Blüte freilegen.
Es geht dann ja auch um Blumen und vor allem Wurzeln, vor allen Dingen die wieder und wieder auftauchenden Wurzeln in Verbindung mit den Bildern deuten darauf hin, dass - gerade wegen der Bilder - "Höheres" ein m.E. in die Irre führendes Wort ist.
Das ist so ein Gefühl.

TheSource - 28. Mai, 19:42

Nachdem ich es nun

ein, zwei Tage ruhen ließ und heute auch kurz mit parallalie darüber sprach (der zuerst Überfluss vorschlug), tendiere ich dazu, das Höhere zu belassen. Auch auf die Gefahr hin, dass die Assoziation im Deutschen durchaus sakralen Charakter annimmt. Wenn ich mich auf Petlevskis Spur begebe, legitimiert sich das durch den Text selbst. "Am Anfang", der wohlgewählteBeginn ihres Gedichtes - und dann auch die Auseinandersetzung mit "Schuld", nahezu technokratisch ausgedehnt auf so lapidare Dinge wie Asphalt. Natürlich auch ob dieser Überpräzision so herausgeschält aus dieser nahezu kalten, skalpellierten Sprache.
Aber haben Sie herzlichen Dank für Ihre Mühe und Zeit, ich weiß das s e h r zu schätzen.

Nebenbei hatte das Gespräch mit parallalie herrliche Wendungen. Der Blüte, wenn sie abfällt, folgt naturgemäß die Frucht. Wir aber wollen die Blüte haben, sozusagen verliebt sein wie am ersten Tag. Wenn wir das nicht bekommen, ist er schuld, oder seine Mutter, oder die Umstände (das Höhere) oder wasauchimmer. Wir lachten herzlich. Wie schön es hingegen doch ist, einfach die Frucht zu genießen, hernach die Färbung der Blätter zuzulassen, diese wundervollen Farben des Herbstes, um auch von ihnen zu lassen im behütenden Weiß des Winters.
TheSource - 29. Mai, 06:53

Nachtrag

Und dann dieses: Bedeutung geben. Die Anspielung auf die Hundepfote im Asphalt, die später dann Verewigung für Stars wurde: Die Tradition, Handabdrücke auf dem Walk of Fame zu hinterlassen, wurde von einem Hund eingeläutet. Irgendwer fand das sehr eindrücklich. Und so kam es zum Walk of Fame. Wir also geben den Dingen Bedeutung - und, folgert Petlevski, somit auch Schuld: wir verteilen Schuld sozusagen, kaufen sie ein oder nicht, horten sie, weisen sie zu.

Trackback URL:
https://snafu.twoday.net/stories/2067155/modTrackback



Join the Blue Ribbon Online Free Speech Campaign


Arbeitsnotate
Buch des Monats
Chatlogs
Chronik des laufenden Wahnsinns
Distichen
Expressionen
Ging-tse
Illuminati
Impressionen
Inspirationen
Nada
Netztrash
Notate
Poems
Poetologie
Prometheus
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren