Freitag, 18. November 2005

La rose triste. Und andere Passionen



entre nous


Ruhiger Finger
schnürt zart mich, ganz behutsam
in mich selbst


Wider die eigene Sache.

Jeden Tag Kuchen

Während der Phasen der Sammlung, der Stille, des "Ausholens aus dem Nichts" der östlichen Kalligraphen, die den Weg vorbereiten für das, was sich schreiben will durch Hand und Tastatur, stören sie mich massiv. Sie stören überhaupt nur in diesen Perioden der Konzentration und der Geduld: Die Seichten.
Der Ton locker, die Clownsnase für den Leser immer in der Tasche, füllen sie Seiten und Bände mit dem seichten Plätscherfluss einer Plapperkunst, die auf Breitbandohren trifft wie auf das sprichwörtliche Scheunentor. Das ist hip, dazu kann jedeR etwas sagen; es erfordert keinerlei großes Nachdenken, durch ihre Schrift(en) zu segeln und das prima Gefühl zu haben, an etwas wirklich Außergewöhnlichem teilzuhaben, während man es tatsächlich nur mit blendend verpacktem Mittelmaß zu tun hat. Aber wie es glänzt! So sehr, dass die geneigte Leserschaft nicht einmal auf den Gedanken kommt, das flitternde Geschenkpapier aufzureißen, den Inhalt zu untersuchen: Das, was bleibt, wen der Tand entfernt wird. Enem, ich habe nichts gegen leichte Kost, leichte Muse und sanft plätschernde Erzählweise. Der Alltag selbst gebiert die großen literarischen Bilder in den Händen der Mutigen. Mich stören die Seichten in persona.
Sie halten sich für begnadet, sie blähen sich auf, verweisen auf ihre Verkaufs- und/oder Leserzahlen - was in einem Land, in dem die meistverkaufte Zeitung der Yellow-Press angehört und Nobelpreisträger Verkaufszahlen haben wie andernorts Lokalpoeten, nun wirklich absurd ist. So mogeln sie sich in gewisse Positionen, nennen sich Superblogger (neu!), Journalisten, Essayisten, Schriftsteller und, die Götter seien uns gnädig, Dichter.

Wann immer mensch auch in ihrer erschriebenen Welt auftaucht: Es ist immer gerade eine Party. Immer tummelt es sich an Fans und anderen Leuten - und sie alle sind wichtig - man sonnt sich im Glanz des Packpapiers, kommentiert im glücklichen Falle Substanz in die flachen Bäche des Gastgebers. Es gibt jeden Tag Kuchen. Man reiht die Worte aneinander und verziert sie dann wie ein Konditorgeselle eine Übungstorte, bepinselt die Pappe mit Zuckerguß und falschen Rosen. Wie ich auf Rosen komme? Nun: Rosen hätten Dornen.


Brot und Spiele

"Comedy ist im Aufschwung". Ja. Wissen Sie, mir wäre es lieber, das Lachen selbst wäre "im Aufschwung". Die Überflutung des Landes mit Comedy hat den seichten Ton erst salonfähig gemacht. Heute ist jeder, der lachen kann, jeder, der sich mit seinem Halbwissen willkommen fühlt in der Riege der scheinbaren Literaten, natürlich ebenfalls ein Dichter. Wann wurde jemals in der Geschichte der Menschheit so viel Unsinn zwischen Buchdeckel gebracht?
Und wäre es nur der Unsinn, ich wäre froh und dem Gekicher zugetan. Aber die Eitelkeit vergiftet es, der Kuchen ist in Wahrheit bitter und ungenießbar. Schneiden Sie ihn an und schauen Sie selbst: Das Konstrukt fällt in sich zusammen und offenbart die gähnende Leere einer Atrappe. In Zeiten, die gekennzeichnet sind von sozialen Unruhen, radikal zunehmender Armut und abnehmender Bildung: von großer Existenzangst einer wachsenden Bevölkerungsgruppe ist es einfach nicht in, kritisch zu sein. Man liefert keinen Tiefgang, der die Menschen aufschrecken könnte, noch schaut man hin, was die Zeitqualität uns wirklich beschert. Solange man nicht zu denenen gehört, die das Schicksal hart trifft, lehnt man sich träge zurück und serviert sprachliche Sahnetörtchen - die bekanntlich in diesen Massen dick und noch träger machen. Ohne einen einzigen Gedanken an Inhalte zu verschwenden leisten sie der erneuten Feudalisierung der Welt madenspeckigen Vorschub. Und wenn sie doch einmal bedrängt sind vom Reiz, etwas Substantielles zu schreiben, werden sie von der kuchenfett genährten Eitelkeit zurückgehalten: Der Leser könnte sie weniger mögen. Eine Katastrophe.


Dichtung

Der Büchnerpreis. Damals: Wie lebendig, die Vitalität des Schöpferischen - und heute: Eine Totenwache.
Es gibt keineN SchriftstellerIn in diesem Land mehr, der/die den Mut hat, zu polarisieren. Somit: Diskussionen und Kontroversen anzuregen. Oder schlicht: Das Nachdenken wieder populär zu machen. Der Narzissmus siegt auf ganzer Linie. Sie schreiben wider das Schreiben.
Ja, ich esse auch Kuchen - aber man verschone mich bitte mit täglichen Portionen. Geben Sie mir lieber eine ehrliche Kohlsuppe statt des hochgelobten Sahnegeschwätzes. Und falls Sie jetzt ein wenig Appetit verspüren auf würzige Delikatessen, den Gesang einer Sinfonie aus den Tiefen, dann kosten Sie einmal >>> hier.


[Hätte der Geist von Homer, Vergil, Al-Maary und Milton gewußt, dass die Dichtung zum Schoßhund der Reichen verkommen würde, er hätte eine Welt, in der sich solches ereignen könnte, verlassen.
Es betrübt mich, die Sprache des Geistes zu hören, wenn sie von den Zungen Unwissender dahergeschwätzt wird. Es schmerzt meine Seele, wenn sie sieht, wie der Wein der Musen über die Federkiele von Angebern fliesst.
Man findet mich hier aber nicht allein im Tale des Unwillens. Ich bin nur einer von vielen, die sehen, wie der Frosch sich aufbläht, um den Stier nachzuahmen.


Khalil Gibran]



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