Montag, 31. Oktober 2005

Analogieprinzip

Im Balkankrieg habe ich gesehen, dass in extremen Zeiten Schweine Menschen fressen.
Heute wurde mir klar: Wir leben in extremen Zeiten. Überall.


[Samhain Gift 2005, Prometheus, The Lilith Files by Source]

Samhain Märchen


[Folgende Geschichte ist nicht von mir; sie wird, in zig Abwandlungen, seit geraumer Zeit weitererzählt; war, in ebenso vielen Abwandlungen, schon Gegenstand einiger Erzählungen der fantastischen und sog. feministischen Literatur und verliert trotzdem nie an Zauber. Auch ich erzähle sie jedes Mal ein wenig anders; hier die heutige Version, wir würden sagen "wie die Zunge schlägt":]



Die Frau tanzte. Bodennebel war aufgekommen und tauchte die Szenerie in eine chtonische Atmosphäre, schluckte die Wärme des Feuers ebenso wie die Sicht, so dass der Mann ein wenig näher zum Zentrum rückte. Doch er vermied es, den Kreis zu berühren, eine unsichtbare, vor einigen Stunden mit einer Weidenrute gezogene Linie im Gras der Lichtung. Seine verschränkten Finger gruben sich ineinander, die Ungeduld ließ sein hartes Gesicht noch angespannter wirken und machte ihn unruhig. Trotzdem schwieg er, störte nicht das Ritual, das sich unter einem blassen, höher steigenden Mond vollzog und dessen Regeln ihm fremd waren. Seit mehreren Stunden tanzte die Frau schon, ihre Füsse furchten seltsame Schrittfolgen in die Erde, wirbelten sie auf; ein langsam entstehendes Muster, das vor seinen Augen aufflimmerte, sobald er versuchte, es zu fixieren.
Nun wurde die Trommel beiseitegelegt und die Tänzerin fiel in einen Singsang, während ihre Füsse schneller und schneller über den Boden glitten. Dunkel und dumpf schien der Wald zu antworten, Stimmen von allerlei Getier erhoben sich leise und fielen in rollendem Rhytmus in die Laute am Feuer ein, ballten sich zu Klangwellen, die vor und zurück ebbten und mit jeder neuen Woge intensiver wurden, sich zu Obertönen verdichteten. Ein Tropfen Blut fiel auf den Sand nahe der Glut, der Atem der Frau wurde schneller und schneller. Noch ein Blutstropfen fiel und noch einer, bis am Ende sieben Tropfen am Feuer lagen. Abrupt endete der Tanz, in der Ferne verhallte das Geräusch von Krähen- und Eulenstimmen, ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Wind kam auf und ließ das Novemberlaub trocken und hell flüstern.
Im Zentrum der Lichtung war die Frau auf die Knie gesunken, ihre Silhouette zeichnete sich dunkel gegen das Feuer. Leise, von den im Wind murmelnden Blättern übertönt, hauchte sie fremde Worte in die Nacht, vielleicht bewegte sie auch nur die Lippen. Berührte dabei die roten Tropfen, wiegte sich vor und zurück, griff dann in den Sand. Sie erhob sich, drehte sich um, sieben rote, glatte Steine in der Rechten. Auch der Mann war aufgestanden.
"Gib sie mir", sagte er mit unverhohlener Gier.
"Gib Du mir erst, was Du mir geraubt".
Er nahm einen milchigen Stein aus seinem Wams, betrachtete ihn. Nichts besonders Wertvolles, eine schöne Arbeit aber kein wertvolles Material. Seine Ringe waren mit prunkvolleren Edelsteinen besetzt. Er warf den Stein in den Kreis, vor die Füsse der Frau: "Da hast Du Deine Seele oder was auch immer Du so nennst". Zärtlich hob sie den Stein auf, rieb den Sand an ihrem Kleid ab und drückte das Weiß an ihre Brust.
"Gib sie mir jetzt, Hexe!" verlangte er schneidend. Sieben blutrote Steine flogen vor ihn ins Gras. Hastig hob er sie auf, betrachtete zufrieden das dunkle Glimmen. Ja, diese waren echt. Er wandte sich seinem Pferd zu, das etwas abseits angebunden stand.

"Warte", kam es leise aus dem Kreis. "Du musst etwas Wichtiges über diese Steine wissen".
"Was sollte ich noch über sie wissen, als dass ich mit ihnen meinem Bruder die Frau, das Land, die Treue seiner Kinder und Männer, die Krone und seinen gesamten Besitz nehmen kann?"
"Das ist richtig. Aber wenn Du den siebten Stein benutzt, wird Deine Seele dem Wahnsinn anheimfallen und Du wirst ein Gehetzter werden zwischen den Welten: Gejagt von den Geistern, ausgestossen und verabscheut von den Menschen".
Laut lachte er auf.
"Das ist mir nicht neu, Weib! Ich bin kein Narr. Es ist ganz einfach: Ich muss nur den siebten Stein nicht benutzen".

Das Feuer war erloschen, nur ein sanftes Licht, das von dem weißen Stein ausging, erhellte die Lichtung dürftig.
"Sag mir, Mann", antwortete die Frau, während sie mit dem Wald und dem Nebel verschwamm, so dass nur ihre Stimme blieb, wie ein Echo:
"Welcher Stein ist der siebte?"


(Einen besonderen Gruß an Morgaine)



apfelmond


Texte

Hekate. Slawische Poetik.

Wohin wendest du dich jetzt
dem Funken nachjammernd
dem Licht, das du verspottet
Wo sind deine Götter jetzt
ihre Altäre verrottet in den Winkelblicken
deiner Vergessenheit
Zu wem willst du beten
der du nicht sterben kannst
weil du nie lebtest, Mensch?

Bist du ein Mann oder eine Amöbe?
Fünfzig Millionen schleppender
Jahre, unzählige Äonen meiner Arbeit
und du kriechst immer noch
im Staub, zitterst vor dem Schrecken
den du Unbekanntes nennst
reckst das Lästermaul vermessen mir
entgegen zu verachten mich, die du
fremd gemacht in dir und vor der du
jetzt winselst wie ein Hund unter
deinem selbstgeformten Joch.


[Das Dunkle, das Abgründige, das verbrämt Weibliche, das Körperliche, das zerstörerisch Stigmatisierte, das Verteufelte, das Angstbesetzte, das Fremde, das Unbewußte "erlösen" durch die Erkenntnis: Daimon Deus inversus est. Denn die tatsächliche Dunkelheit heißt Ignoranz]


[Bild: "Beyond the River Styx"; Chris Ranes, 1997]

BeyondTheRiverStyx

Hekate. Klassische Dramturgie II.

Weil mir das Lenzlied so hohl klingt, so verlogen.
Hier, im November, besteigt alles die Fähren zu mir.


styx2

Hekate. Klassische Dramaturgie.

"Ihr wollt Fürsten sein? Ich sehe Bettler nur,
Die weit die Nacht erschrecken mit ihrem Gebet(tel)".


[Und dabei hebt sie die Linke, Handfläche nach außen, auf Brusthöhe, zieht mit langer Zunge etwas aus ihren Mundwinkeln, die Wangen arbeiten saugend, fast hätte sie es ausgespuckt, fast, überlegt es sich dann aber doch anders aber wendet sich halb nur ab. Ein Schatten schleicht neben den rechten Nasenflügel, im Halbprofil zeichnet ihr Gesicht Klingen in den Nebel]

Aufgeblitzt vor dem inszenatorischen Auge via parallalies Zitat von Mahler Heym.



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